Der Kunstsalon als Katalysator der Moderne
Der Kunstsalon als Katalysator der Moderne
Von Roman Zieglgänsberger
Für junge, progressive Künstler, die einen anderen Weg einschlagen wollen als die gut sichtbaren, bereits ausgetretenen Pfade, ist es lange unmöglich, ihre Werke der Öffentlichkeit zu präsentieren. Ende des 19. Jahrhunderts steuern Kunstvereine die öffentlichen Museen, und deren Leiter sind arrivierte Künstlerprofessoren, die wiederum an den Kunstakademien unterrichten. Ein solch geschlossenes System bringt mit sich, dass die Schüler dieser konservativen Professoren nur in den Olymp der hell erleuchten Ausstellungssäle kommen, wenn sie ihrem Meister „nach dem Munde malen“. Die jährlich stattfindenden sogenannten Großen Kunstausstellungen, auf welchen nicht selten tausend und mehr Arbeiten präsentiert werden, sind ebenfalls keine Alternative für die junge Generation, da sich die Jury zumeist aus denselben Künstlerprofessoren zusammensetzt, die auch an den Akademien lehren oder die über die Kunstvereine die Museen lenken.
Diese Lücke spürend, gründen sich in jeder größeren Stadt ein bis zwei Galerien oder Kunstsalons, die sich auf jüngere, von offizieller Seite unbeachtete Künstler spezialisieren. In München etwa sind es die Moderne Galerie Heinrich Thannhauser, die der angefeindeten Malerei der Neuen Künstlervereinigung München und dem Blauen Reiter ihre Räume zur Verfügung stellt, oder Brakls Moderne Kunsthandlung, wo August Macke und Franz Marc 1910 noch vor der Existenz des Blauen Reiters ihre ersten Einzelausstellungen haben. In Dresden darf sich 1909 im Kunstsalon von Emil Richter die KG Brücke, die aus den damals „blutjungen“, heute längst zum Kanon der Kunstgeschichte zählenden Malern Erich Heckel, Ernst Ludwig Kirchner, Max Pechstein oder Karl Schmidt-Rottluff besteht, dem Urteil der Besucher stellen. Letzterer erhält nur ein Jahr darauf in der Hamburger Galerie Commeter sogar seine erste Einzelausstellung. In Berlin wiederum tritt die 1912 von Herwarth Walden eröffnete Sturm-Galerie mit aller Wucht in Erscheinung, in der Werefkin einige ihrer Werke zeigen kann. Walden ist es auch, der als Protest gegen die Sonderbundausstellung in Köln für dort abgewiesene Künstler seine Galerie zur Verfügung stellt.
Ohne die Kunstsalons und den idealistischen Einsatz ihrer Betreiber vor dem Ersten Weltkrieg sähe die freie Kunstszene heute anders aus – dies vor allem, weil die Avantgarde sich nicht in dieser Weise hätte Bahn brechen können.